Teilprojekt 1
Universität Bielefeld
Fakultät für Erziehungswissenschaft
Prof. Dr. Ulrich Gebhard, Yasmin Goudarzi

Nachdenkgespräche

Im Teilprojekt der Universität Bielefeld stehen Naturerfahrungen und damit verbundene Nachdenkgespräche im Mittelpunkt. Zentrale Annahme dabei ist, dass nur ein Naturerlebnis, das zum Gegenstand von expliziter Reflexion gemacht wurde, zu einer die Person berührenden Erfahrung werden kann. Berücksichtigt werden dabei auch Intuitionen, explizite und implizite Welt- und Menschenbilder und symbolische Naturbilder. Bei diesen tiefen Reflexionsprozessen, die im Anschluss an unmittelbare Naturerfahrungen angeregt werden, können intuitive bzw. vorbewusste Welt- und Menschenbilder bezüglich Natur im Allgemeinen und Biodiversität im Besonderen nicht nur bewusst, sondern u.U. auch verflüssigt werden.

Ein Wandel der Einstellungsmuster und Handlungspraktiken im Hinblick auf Biodiversität hat dann eine Chance, wenn die Menschen ihre erlebnisbezogenen, intuitiven Bilder und Phantasien zu Biodiversität, ihre diesbezüglichen latenten Welt- und Menschenbilder einerseits mit konkreten Naturphänomenen und mit rationalen ökologischen, politischen, sozialen oder kulturellen Argumenten im Hinblick auf Biodiversität andererseits miteinander in Beziehung bringen und vor diesem Hintergrund in der sozialen Praxis verankern. Die Argumentation folgt dabei keinem antirationalen, naturschwärmerischen Duktus, sondern der Überzeugung, dass es rational ist, auch irrationale Anteile zum Gegenstand der Reflexion zu machen.

Ein weiterer Schwerpunkt im Bielefelder Teilprojekt besteht in der Untersuchung des politischen Selbstverständnisses der Teilnehmenden hinsichtlich der angestrebten sozial-ökologischen Transformation. Im Fokus steht dabei die Partizipation, da diese in der Transformationsforschung als einer der zentralen Aspekte angesehen wird. Sowohl die politische als auch soziale Partizipation der Zivilbevölkerung gelten als wesentlich für einen erfolgreichen Wandel. Aus der Partizipationsforschung ist bekannt, dass die persönliche Einstellung gegenüber Politik, das politische Selbstvertrauen oder auch das politische Kompetenzbewusstsein über den Grad des Engagements mitentscheiden. Daher werden im Rahmen der Nachdenkgespräche und der dadurch angestrebten Reflexionsprozesse ebenso Vorstellungen von und Einstellungen zu eigenen Partizipationshandlungen bzgl. Biodiversität thematisiert, mit dem Ziel auch hier die subjektiven Gedanken und Bilder mit objektiven Gegebenheiten miteinander in Beziehung zu setzen. 

Wir verstehen unsere Intervention als einen sog. „Leverage Point“. „Leverage Points“ sind Hebelpunkte in einem komplexen System, wo eine kleine Veränderung an einem einzelnen Punkt große allgemeine Veränderungen hervorruft (Meadows 1999). Sie sind daher bedeutsam für transformative Veränderungen.

Die innere Transformation gilt dabei als einer der stärksten Hebelpunkte, um ausgehend vom Individuum auch einen gesellschaftlichen Paradigmenwechsel zu erreichen. Unserem Verständnis nach ist die Stärkung von Naturverbundenheit eine Möglichkeit eine entsprechende innere Transformation zu begünstigen, welche wir durch die Verbindung von Erlebnissen in der Natur mit einer anschließenden Reflexion forcieren. Zudem werten wir die bewusste Reflexion von intuitiven, auch irrationalen Vorstellungen bzgl. Biodiversität sowie eigenen Partizipationshandlungen ebenso als einen solchen Leverage Point. 

Forschungsziel ist (1) eine qualitative Rekonstruktion von latenten Vorstellungen und Phantasien bzw. Narrationen zum Biodiversitätsbegriff und (2) eine quantitative Prä-Post-Erhebung der Wirkung unserer Intervention im Hinblick auf die besagte sozial-ökologische Transformation.

Theoretische Bezüge:
Erfahrungstheorie, Psychoanalyse, Kognitions-, Intuitions- und Partizipationsforschung, Psychodynamik menschlicher Naturverhältnisse

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Yasmin Goudarzi